Bereits am 2. Juni soll die Planung der Osttangente zu einem vorläufigen Abschluss kommen. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt berät in seiner kommenden Sitzung abschließend vor Einleitung des Planfeststellungsverfahren über das große Straßenbauprojekt. Der Klimaschutzbeirat und der Runde Tisch Klima und Umwelt (RTKU) sehen das Projekt vor dem Hintergrund der Klimakrise jedoch sehr kritisch.
Seit 2018 wird der Ausbau der aktuell zweispurigen Bundesstraße zwischen Stadtrodaer Straße und Wiesenstraße geplant. 2019 hat der Stadtrat beschlossen, „der Klimakrise mit höchster Priorität [zu] begegnen“ (19/0098-BV) und sich 2021 das Ziel gesetzt, Jena bis 2035 klimaneutral zu machen (21/0964-BV). Auf dieser Grundlage hat der Klimaschutzbeirat zusammen mit dem RTKU bereits im März 2022 eine Anpassung der Planung an die neuen klimapolitischen Beschlüsse gefordert.
Die Sprecher des Klimaschutzbeirates, Matthias Stüwe und Vincent Leonhardi, führen dazu aus: „Ambitionierte Ziele wie die Klimaneutralität und eine Reduktion der Autoverkehrszahlen sind richtig. Aber sie bringen nichts, wenn nicht danach gehandelt wird. Die Stadt lässt aktuell einen Klima-Aktionsplan erarbeiten, welcher einen konkreten Handlungspfad zur Klimaneutralität aufzeigen soll. Es ergibt sich aber eine deutliche Diskrepanz zwischen den aktuellen Planungen einer vierspurigen Straße und den selbst gesteckten Zielen. Die Planungen müssen deshalb an die eigenen Klimaziele und die Inhalte des Klima-Aktionsplans angepasst werden.“
Pascal Zillmann vom Runden Tisch für Klima und Umwelt ergänzt: „Der Klima-Aktionsplan wird nach dem Sommer fertig sein. Dann liegen konkrete, wissenschaftlich fundierte Maßnahmen für ein klimaneutrales Jena auf dem Tisch – inklusive der Verkehrsthematik. Dass bis dahin mit großen Straßenbauprojekten noch Fakten geschaffen werden sollen, widerspricht jeder Logik. Vorhaben, wie die Schaffung neuer Spuren für den Autoverkehr, lösen das Problem nicht, sondern vergrößern es. Das Muster lässt sich in unzähligen Städten finden: Mehr Spuren entlasten nur kurzfristig und machen die Nutzung des motorisierten Individualverkehrs langfristig attraktiver – ein Anreiz, der angesichts der klimapolitischen Ziele und auch dem sehr begrenzten Platz in Jena irrsinnig erscheint. Wir fordern, die Ursachen anzugehen, nicht das Symptom. Das bedeutet, Bus, Bahn, Rad- und Fußverkehr durch eine Neuaufteilung öffentlicher Flächen zu fördern und somit den Menschen den Umstieg vom Auto zu erleichtern.“
Die Notwendigkeit der Osttangente wird immer wieder mit der Entlastung anderer Straßen begründet. Eine Reduktion zum Beispiel im östlichen Löbdergraben ist aber noch keinesfalls gewiss und soll erst nach Fertigstellung der Osttangente 2030 geplant werden. Dass die Verkehrsberuhigung für die Stadtratsmehrheit keine Priorität hat, zeigte auch die Ablehnung eines entsprechenden Antrags zur Vorplanung der Osttangente 2020.
Aktuell schätzt die Verwaltung die Kosten für den Bau auf knapp 31 Mio. Euro. In seiner Stellungnahme argumentiert der Beirat deshalb auch mit der enormen finanziellen Belastung für den städtischen Haushalt. Selbst nach Abzug einer möglichen Förderung durch Bund und Länder wird Jena einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag zahlen müssen. Geld, das für Soziales oder Umweltschutz nicht mehr zur Verfügung steht. Und dabei sind absehbare Kostensteigerungen noch nicht berücksichtigt.
Die Stadt Jena hat es in der Vergangenheit nicht geschafft, die Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Das zeigen die Monitoringberichte seit 2009, so auch der aktuelle Bericht für das Jahr 2021. Eine Trendwende zu schaffen und gleichzeitig Millionen in Straßen und Parkhäuser zu investieren, ist dabei ein offener Widerspruch. Letztendlich ist es aber an den Mitgliedern des Stadtrates, zu zeigen, dass ihre Beschlüsse zum Klimaschutz nicht leere Phrasen sind.